Anne Elisabeth Detjen (19) ist Schülerin der Emil_Molt Akademie und wird am 30. April 20 Jahre alt.
Sie beschäftigt sich mit den Fragen, wie Inklusion gelingen kann und warum Bildungschancen nicht für alle gleich sein können
Ich kann mich noch gut an den Winterabend vor zwei Jahren erinnern, an dem der damalige Schuldirektor Hans Hutzel uns und unseren Eltern noch vor Schulbeginn die Schule vorstellte. In seiner Rede sprach Herr Hutzel sehr eindrucksvoll über die Didaktik der Schule.
Das ehemalige Schulgebäude der Emil-Molt Akademie habe ich nur zweimal gesehen und bin aufgrund der eigentlich ziemlich sichtbaren Sanierungsbedürftigkeit des Gebäudes recht froh über den Umzug der Schule gewesen - ganz abgesehen davon, dass mich die Innenarchitektur mit diesem schwarzen Teppich stark an meine Grundschule erinnerte.
Die ersten Wochen auf der Emil-Molt Akademie nahm ich als sehr angenehm war, alles war neu und so fiel es mir wesentlich leichter Bekanntschaften zu knüpfen. Doch je enger die Klasse zusammenwuchs, desto schwieriger wurde es für mich im sozialen Bereich mithalten zu können. Dann kam die nicht ganz einfache Praktikumszeit. Ich machte mein Praktikum an einer Förderschule in Weißensee und fühlte mich dort aus verschiedenen Gründen etwas fehl am Platz. Teilweise hatte ich andere Ansichten hinsichtlich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen als viele der Lehrer/innen an dieser Schule und merkte aber auch, dass mich die Zusammenarbeit mit so vielen Menschen leicht überforderte. Daher war die Erleichterung bei mir groß als die Sommerferien und damit auch die Schule wieder näher rückten.
Die Zeit schreitet in einem fast schon beängstigend rasanten Tempo voran und mit jeder vergangenen Woche wird der noch übrig gebliebene Weg meiner Schullaufbahn ein Stückchen kürzer.
Viele Jahre lang überkam mich immer wieder die Sorge, dass mir die Zeit davonrennen könnte, wenn ich nicht vorsichtig genug bin. Die Aussage die so häufig zu hören ist, dass die Zeit so wertvoll sei und man deshalb immer – am besten täglich - bis zum allerhöchsten Maße sein Leben auskosten müsse, da man es sonst irgendwann einmal bereuen könnte, setzte mich jedoch nur noch stärker unter Druck und führte dazu, dass ich in meinen Gedanken schon so weit in der Zukunft war, das ich nicht mehr richtig in der Gegenwart leben konnte . Inzwischen aber gelingt es mir wesentlich besser in der Gegenwart zu leben als noch bis vor einigen Jahren. Und da ich dies als einen Fortschritt gerne beibehalten würde, versuche ich nicht allzu sehr über die nächsten Jahre nachzudenken.
Allerdings will ich hiermit weder ausdrücken, dass ich Angst vor der Zukunft hätte, noch das ich mir keine Gedanken über die Zeit nach der Schule machen würde.
Auch meine vorherige Aussage, dass ich mich manchmal “fehl am Platz“ fühle, soll keinesfalls bedeuten, dass dieses Gefühl in mir immer präsent wäre.
Auch wenn es mich selber nicht betrifft, erkenne ich die Ungerechtigkeit in der frühen Ausselektierung von Menschen mit und ohne Behinderungen. Da sich die verschiedenen Lebensbereiche (finanziell, sozial, Bildung, körperliche oder geistige Behinderung) gegenseitig beeinflussen, kann es auf allen Ebenen Ungerechtigkeit geben.
Um den Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen, muss häufig jeder Einzelne von uns eine gute Anpassungsgabe besitzen. Ich habe die Erwartungen bzw. Normen in zwei verschiedene Bereiche unterteilt: In die akademische und in die soziale Norm. Zu der akademischen Norm gehören bestimmte Schulabschlüsse die zu erreichen sind, aber auch das Absolvieren eines Studiums zählt oftmals als Norm.
Unter die soziale Norm schließe ich das soziale Anpassungsvermögen und die Redseligkeit hinein. Verhältst du dich “unnormal“ aus welchen Gründen auch immer, lauert die Gefahr ausgegrenzt oder sogar gemobbt zu werden. Und wer wird schon gerne ausgegrenzt?
Also lieber schön anpassen und der Menge folgen.
Ich setze mich gerne und oft mit gesellschaftskritischen Fragen auseinander und besuche deshalb auch den sozialen Zweig der zweijährigen Fachoberschule der Emil-Molt Akademie. Vor der Entscheidung an diese Schule zu gehen, habe ich mir noch zwei andere zweijährige Fachoberschulen angeschaut, bei welchen aber schon relativ schnell klar war, dass diese nicht in die engere Auswahl kommen.
Mich faszinierte die anthroposophisch angehauchte Didaktik der Emil-Molt Akademie von Anfang an. Auch die individuelle Förderung und die nötige Aufmerksamkeit, die hier jedem einzelnem Schüler zur Verfügung gestellt wird, war bzw. ist im deutschen Schulsystem nicht immer selbstverständlich.